Freitag, 30. Dezember 2016

Textschnipselchen-Alarm "Wie du"mich siehst"

Dies ist ein kleiner Ausschnitt aus einer meiner allerersten Geschichten. 
Sie lag lange in der Schublade, bevor ich sie vor einigen Jahren über Bookrix veröffentlichte.
Seitdem wird sie konstant gerne gelesen und ich habe schon viele nette Feedbacks per Email bekommen. Rezensionen gibt es allerdings nur eine einzige. 

Vielleicht hat ja dieses Wochenende jemand Lust, ein kurzes Feedback zu hinterlassen... 


Er lehnt an der Hauswand und wartet auf mich. Er hat geduscht, seine Haare sind noch nass. Und rasiert hat er sich auch. Er duftet nach Aftershave. Er trägt wieder Jeans, ein T-Shirt und Turnschuhe. Ich muss an Hanna denken. Blöde Gans. Mir ist es egal, was er anzieht.
Wir gehen nebeneinander den Fußweg entlang. Plötzlich sehe ich hinter der Hecke einen Schatten. Entsetzt springe ich zur Seite, dränge gegen Jonas Körper. Ich bekomme keine Luft mehr. Er legt den Arm um meine Schultern und ich höre mich selbst röcheln. Eine Sekunde später steht mein Vater vor uns und Jonas zieht seinen Arm schnell weg. Ich keuche, endlich, da ist wieder Sauerstoff. Eine endlose Sekunde lang ziehe ich tief frische Luft in meine Lunge. Dann bin ich nur noch wütend. „Vater! Was machst du hier?“ Ich starre ihn an und er hebt irritiert die Augenbrauen. „Ich spaziere durch meinen Garten und überlege, ob die Hecke geschnitten werden muss. Was ist los? Du bist doch sonst nicht so schreckhaft. Guten Abend übrigens.“ Er nickt zu Jonas hinüber und der erwidert den Gruß.
Mein ganzer Körper zittert und der Blick meines Vaters ist besorgt. Er merkt, dass was nicht stimmt. Mist.
„Alles in Ordnung?“ Er fixiert Jonas, als ob er in sein Gehirn gucken wollte. Wie unhöflich!
„Ja, alles in Ordnung. Ich habe mich nur erschrocken. Entschuldige“, sage ich schnell, um ihn abzulenken.
„Na, dann ist ja gut“, antwortet er mit deutlich sarkastischer Betonung, nickt nochmal grüßend und geht.
Ich drehe mich zu Jonas. Der mustert mich und hat eine dicke Falte zwischen den Augenbrauen. Sofort schießen mir Tränen in die Augen. Ich bin schon wieder fix und fertig. Es wird nicht besser. Ich werde den Rest meines Lebens Gespenster sehen, schreckhaft sein und Atemnot bekommen.
Jonas legt wortlos den Arm um mich und wir gehen weiter. Ich ziehe meinen Schlüssel aus der Tasche. Meine Hand zittert immer noch und ich habe schon wieder das Gefühl, keine Luft zu bekommen. Er nimmt ihn mir ab. „Ganz ruhig. Es ist alles in Ordnung.“ Ohne mich loszulassen, schließt er auf. Wir gehen rein, ich bleibe im Flur, während er in alle Räume sieht. Er gibt Entwarnung und ich sacke mal wieder auf einem Sessel zusammen und heule los wie ein Kind.
Verdammt, das muss doch endlich mal aufhören!

Jonas erzählt

Sie ist bleich wie eine Leiche und zittert am ganzen Körper. Ich dachte, sie kippt um, als sie sich gerade so erschrocken hat. Nun weint sie wieder. Ich setze mich auf die Lehne des Sessels und streiche ihr über den Rücken. 
„Ich habe mir so fest vorgenommen, heute normal zu sein und dir zu zeigen, dass ich nicht so bescheuert bin, wie du mich kennengelernt hast und jetzt heule ich dir schon wieder was vor“, jammert sie und schnieft ordentlich in ein Taschentuch.
„Du hast dich erschrocken.“
„Völlig grundlos!“
„Sei nicht so streng mit dir.“

Sie lehnt ihren Kopf an meinen Körper und ich habe einen Grund ihr über die seidig glänzenden Haare zu streichen. Meinetwegen muss sie nicht anders sein, aber ich fürchte, es ist unfair, so zu denken. 

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